Paul Gerhardt und sein Leben und Wirken in Mittenwalde
PAUL GERHARDT
(* 12.03.1607 † 27.Mai 1676)
(Foto: Mosaikbild von Paul Gerhardt am historischen Paul-Gerhardt-Haus in Mittenwalde – heute Stadtverwaltung)
Paul Gerhardt, geboren am 12. März 1607 in Gräfenhainichen, gilt als einer der größten evangelischen Kirchenlieddichter. Seine Lieder sind ein unverzichtbares Erbe der Weltchristenheit.
Er schrieb 137 deutsche Gedichte und Lieder, die größtenteils schon zu seinen Lebzeiten gesungen wurden.
Bereits im Alter von 12 Jahren verlor er den Vater, zwei Jahre später auch die Mutter. Zusammen mit seinem älteren Bruder besuchte er die Fürstenschule in Grimma. Gerhardt begann 1628 das Studium der Theologie an der Universität in Wittenberg, vierzehn Jahre war er Student und Hauslehrer in Wittenberg.
Um 1642 verließ er die kursächsische Stadt Wittenberg und ging in die brandenburgische Residenzstadt Berlin. Er war schon 35 Jahre alt und nannte sich noch immer „studiosus theologicae“, hatte keine Familie, kein Vermögen und keine Stelle als Prediger. So wurde er Hauslehrer der Enkel des Kammergerichtsadvokaten Andreas Berthold, seines späteren Schwiegervaters. Alle Familienmitglieder waren fromme Lutheraner und Gerhardt hat die gemeinsamen häuslichen Andachten mitgestaltet.
Sein erstes literarisches Debüt war das 18strophige Gedicht „Oda“, das er anlässlich der Hochzeit von Sabina Berthold und Joachim Fromm am 3.September 1643 schrieb. Joachim Fromm war Archidiakon an der Nikolaikirche zu Berlin. Gerhardt hatte auch Kontakt zu dem bedeutenden Musiker Johann Crüger (1598-1662), der Kantor an der Nikolaikirche war. 1648 erschien die 3. Auflage von Crügers Gesangbuch „Praxis Pietatis Melica“, darin waren bereits 18 Lieder von Paul Gerhardt enthalten.
Nach dem Tod von Caspar Göde, Propst an der St. Moritz-Kirche in Mittenwalde, wurde dessen Stelle in dem kleinen Ackerbürgerstädtchen frei. In einem solchen Fall war es üblich, dass der 2.Pfarrer aufrückte. Aber der Rat von Mittenwalde überging bewusst den 2. Pfarrer Christian Alborn. Denn Alborn hatte den Zinswucher der Stadtväter gerügt, er soll sogar von der Kanzel herab die Stadtväter angeprangert haben und daher waren Bürgermeister und Stadtväter nicht gut auf ihn zu sprechen.
Die Stadt als Kirchenpatron war mitverantwortlich für die Besetzung der Pfarrstelle und bemühte sich beim Konsistorium in Berlin um die Neubesetzung der Propststelle.
Einflussreiche Freunde im Berliner Konsistorium setzten sich dafür ein, dass Paul Gerhardt diese Stelle erhielt. Am 28.September 1651 hielt er eine Gastpredigt in Mittenwalde, am 12. November wurde er als Propst berufen und am 18.November erfolgte die Ordination (Einsetzung ins Amt) Paul Gerhardts.
Am 30. November 1651wurde Gerhardt als Propst (1.Pfarrer) und Inspektor (Superintendent) an der St. Moritz - Kirche in Mittenwalde eingeführt.
Zu Weihnachten 1651 verließ er Berlin und trat in Mittenwalde sein Amt an.
Als Gerhardt nach Mittenwalde kam, war die Stadt noch immer stark von den Leiden und Schrecken des 30-jährigen Krieges gezeichnet, das Ende des Krieges war ja eben erst drei Jahre her. Durch Plünderungen, Brände, Pest und auch Flucht war die Zahl der Bewohner zum Ende des Krieges stark zurückgegangen. Der Rat und wenige Bürger des durch Krieg und Brand ruinierten Städtchens Mittenwalde schickten eine Klageschrift an den Kurfürsten, in der es hieß „seindt itzo unter den 27 noch alhier befindlichen Bürgern über 9 Wittwen zu zählen...“
Die alte Propstei, in der Gerhardt wohnen sollte, war bei seiner Ankunft 1651 in einem so schlechten baulichen Zustand, dass er einstweilen woanders wohnen musste. So hatte Gerhardt denkbar ungünstige Bedingungen in seiner Amtszeit in Mittenwalde und dennoch war es seine schaffensreichste Zeit. Hier in Mittenwalde hat er die meisten seiner Kirchenlieder geschrieben.
Während seiner Mittenwalder Amtszeit erschien die vierte Auflage des von Johann Crüger (1598 -1662) besorgten Berliner Gesangbuches mit dem Titel „PRAXIS PIETATIS MELICA“ mit 64 neu hinzugekommenen Liedern von Paul Gerhardt.
Vom 01. Januar 1652 bis zum Ausgang des Jahres 1656 trug Paul Gerhardt alle Geburten, Trauungen und Sterbefälle sorgfältig und in schöner Handschrift in das Kirchenbuch ein. Von seinen Predigten hat sich aber leider nichts erhalten. Seine Eintragungen im kirchlichen Rechnungsbuch, verglichen mit denen des Kirchenbuches wirken wie „unwillig hingeworfen“. Diese Aufgabe war für ihn wohl nur eine Pflichtaufgabe, die ihm vermutlich wenig Freude bereitete.
Am 11.Februar 1655 heiratete er Anna Maria Berthold, die Tochter des Kammergerichtsadvokaten Andreas Berthold. Die Hochzeit fand in Berlin statt. Dort kam auch ein Jahr später, am 19.Mai 1656, das erste Kind Maria Elisabeth zur Welt. Sie starb nur 8 Monate später, am 14.Januar 1657 und wurde in Mittenwalde beigesetzt. Die Eintragung des Sterbedatums seiner Tochter im Kirchenbuch erfolgte nicht durch Paul Gerhardt. Wie sehr ihn der Verlust seines Kindes schmerzte, zeigt die Grabtafel zum Gedächtnis für sein „erstgeborenes herzliebes Töchterlein“ in der Kirche mit dem Schlussvers „wenig und böse ist die Zeit meines Lebens" (1.Mose, 47,9).
Die Zeit in Mittenwalde war für Gerhardt und seine Frau mit kummervollen Erinnerungen verbunden. So war es vielleicht ein Entrinnen, als er im Juli 1657 dem Ruf als Diakon an die Berliner Nikolai - Kirche folgte. In Berlin kamen vier weitere Kinder Gerhardts zur Welt, Sohn Paul Friedrich (1662-1716) blieb am Leben, die drei anderen Geschwister starben noch im Säuglingsalter.
Die letzte Ausgabe der „PRAXIS PIETATIS MELICA“ von Johann Crüger erschien 1661, es war die zehnte Edition mit inzwischen 90 Liedern von Paul Gerhardt. Georg Ebeling gab 1666/67 120 Liedtexte Paul Gerhardts heraus.
In Berlin war Gerhardt über 10 Jahre an der Nikolaikirche tätig. Wegen seiner streng lutherischen Überzeugung weigerte er sich, das kurfürstliche Toleranzedikt zu unterschreiben. Im Zusammenhang mit dem Kirchenstreit zwischen Calvinisten und Lutheranern hat ihn dann der Kurfürst Friedrich Wilhelm im Jahr 1667 seines Amtes enthoben.
Als dann am 5. März 1668 seine Frau Anna Maria stirbt und er ab September 1668 kein Gehalt mehr bekommt, hält ihn nichts mehr in Berlin.
Der nun schon 62jährige Gerhardt ging 1669 mit seinem 7 Jahre alten Sohn Paul Friedrich in das sächsische Lübben. Hier konnte sich der strenge Lutheraner seinen Aufgaben als Archidiakon an der Nikolai-Kirche widmen. Doch sein Mund verstummte, zum Dichten hatte er keine Kraft mehr.
Am 27.Mai 1676 starb Paul Gerhardt in Lübben und ist im Altarraum der Kirche begraben worden.
Das Paul-Gerhardt-Denkmal im Kirchgarten der St. Moritz-Kirche in Mittenwalde (Foto) ist eine Kopie des in Lübben stehenden Originals von Friedrich Pfannschmidt
(1864-1914).
Die Paul-Gerhardt-Bronzestatue in Mittenwalde, angefertigt in der Bildgießerei Hermann Noack in Berlin-Friedenau, stiftete der Ehrenbürger der Stadt Mittenwalde Dr. Karl-Heinz Drogula.
Das Denkmal ist am 14.Juli 2001 feierlich eingeweiht worden.
© Vera Schmidt, 2007
Ortschronistin Heimatverein Mittenwalde e.V., Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin
Quellen und Literatur:
Arnold Niemann „Paul Gerhardts Berufung nach und seine Amtszeit in Mittenwalde“ Berlin, 1979/80
Christian Bunners „Paul Gerhardt“ Berlin 1993
Ulrich Grober „Der Liederdichter Paul Gerhardt (1607-1676)“ Frankfurt 2001
Kopie eines Fragments der Klageschrift vom Rat Mittenwalde an den Kurfürsten, undatiert, vermutlich um 1660